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Zur Schrift

 

Von mir geschriebene Seite gegenüber der Original-Buchseite (geschnitten)

Für eine dem Original ähnliche Anmutung der Schrift ist es wichtig, dass man die 

richtige Federbreite wählt.

Ich habe hier eine 3/4 mm und eine 1 mm Feder ausprobiert. 

Die 1mm Federbreite ist besser geeignet.

Dabei müssen wir bedenken, dass die Stehlfedern ein Produkt des 19. Jh. sind und 

"unser" Schreiber damals mit einer Kielfeder gearbeitet hat. 

Dabei konnte er natürlich die Federbreite ganz variabel beim

Anschneiden der Feder selbst bestimmen.

 

Für unsere Übung ist das Handling mit der Kielfeder leider viel zu schwierig, daher die Metallfeder.

Hier die Vorlage aus den Typen unseres Blockbuchs. Ich habe für fast alle Buchstaben mehrere Lösungen

innerhalb des Buchs gefunden. Der Schreiber ist nicht bei einer Form geblieben sondern hat ganz 

unbefangen die Einzelformen modifiziert und Ligaturen entwickelt. Wobei die Ligaturen auch erst beim 

Schneiden entstanden sein können. Wir stellen fest, dass sehr viele Buchstaben zusammenhängen und 

manchmal sogar ganze  Worte in einem ununterbrochenem Stück geschnitten sind. Beim Schneiden sehen 

wir, dass dies nahezu zwangsläufig  aus dem Bedürfnis resultiert, ökonomisch zu arbeiten. D.h., man spart 

Zeit, indem man viele Negativformen und Buchstaben-Begrenzungen einfach durch die Ligatur spart.

Vorlage der Ars-Typen

 

Das Lernziel bei den Schriftplatten ist es, eine Bastarda zu schreiben, sie auf eine Platte zu übertragen

und sie zu schneiden. Dabei ist es zeitraubend und unproduktiv, den Duktus des Originals allzu genau

kopieren zu wollen. Ihr wisst um das Graphem! Daher ist es mir lieber, wenn Ihr eine gewisse Souveränität

beim Schneiden kultiviert (kommt nach den ersten 2 Zeilen) und dem eigenen Schriftwissen vertraut. 

Das Original ist nur noch Anhaltspunkt. Grämt Euch also nicht, wenn Euer  f  mal nicht so schräg ist 

wie im Original, oder der Winkel des  e  ein anderer. 

Auf diese Weise finden wir auch heraus, in wie weit die Individualität des Handwerkers in das 

Erscheinungsbild einer kopierenden Arbeit dennoch einfließt.

 

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Das Abklatschen:

Übertrag einer mit Aquarellfarbe geschriebenen Seite auf Linoleum.

Das Prinzip: 

Die Schrift wird mit dem "Gesicht" auf das Linoleum gelegt und dann das Papier von hinten 

vorsichtig angefeuchtet. Etwas warten, damit das Wasser Zeit hat, das Papier 

gleichmäßig zu durchweichen. Dabei stets fest mit den Fingern pressen, nicht reiben! 

Man kann dabei durchaus Teile des Papiers immer wieder anheben, um zu schauen, ob der Übertrag

gelungen ist oder ggf. noch etwas länger gepresst werden sollte. Dies so lange, bis man mit allen Stellen

zufrieden ist. Wie man sieht, "leidet" das Original dabei weniger als man denkt, man könnte es sogar

noch einmal verwenden.

 

Tipps zum Übertragen:

- Beim Übertrag mit Aquarellfarbe darauf achten, dass die Farbe dick genug ist.

Sie muss vollschwarz auf dem Papier erscheinen (etwa die Konsistenz von Buttermilch).

- Bein Einfeuchten mit wenig Wasser beginnen und langsam, mit Gefühl, die Menge steigern.

Dabei gleichmäßig mit den Fingerspitzen pressen - ohne zu reiben.

- Beim Übertrag mit Kohlepapier geht der Wechselzug weitgehend verloren, bitte beim Schneiden

öfter mit dem Original vergleichen um ihn wieder zu rekonstruieren. Dazu könnt Ihr Euch  Euer Blatt

noch einmal neu ausdrucken, siehe unten.

- Bei schiefgegangenem Übertrag mit Kohlepapier könnt Ihr versuchen, die Linien mit Radiergummi

oder auch mit Wasser und Seife wieder weg zu bekommen; lediglich die Oberflache darf nicht verletzt

 werden (Glitzischwamm o.ä. ist daher ungeeignet).

- Für diese Methode könnte man sich die Seite auf ganz dünnes Papier ausdrucken, denkt daran:

erst spiegeln! Bitte auch die Größe nach dem Ausdruck genau kontrollieren!

 

Bei diesen Platten wurde mit Aquarellfarbe übertragen. 

Auf der ersten Platte wurde die Schrift nochmals mit Aquarellfarbe nachgefahren, 

auf der zweiten hingegen mit Bleistift. Das ist alles möglich - je mehr verschiedene

Techniken wir zulassen, desto eher können wir am Schluss Aussagen über ihre 

Tauglichkeit machen und darüber, welche Technik im 15. Jahrhundert am ehesten verwendet wurde.

Dies ist eine mit Kohlepapier übertragenen Schrift.

Hier muss der Wechselzug beim Schneiden "mitgedacht" werden. Die Schnitte erscheinen mir persönlich

zu tief - nicht das es falsch wäre, aber man bürdet sich damit harte Arbeit auf und kann nicht so 

filigran arbeiten wie beim flachen Schneiden (weniger Krafteinsatz). 

Den äußeren Rand nicht weiter als hier bearbeiten, da wir ihn beim Drucken sowieso abschneiden.

 

Wahrscheinlich ist ein Übertrag mit einer wasserlöslichen Farbe, bzw. ungebundenem Pigment.

(Abklatschverfahren)

Dafür spricht:

- der Wechselzug ist sehr klar ausgeführt, das ist weder beim spiegelverkehrten Schreiben 

(ja, das geht, jedoch nicht mit der Breitfeder) noch beim Durchreiben mit einer stumpfen Spitzte

( Kohlepapier-Verfahren) gegeben. Hier würden sich "Fehler" im Wechselzug einschleichen, 

die aber im Original nicht auftauchen.

- diese Methode geht tatsächlich am schnellsten.

- das uns vorliegende Vorläufer-Blatt verhält sich spiegelverkehrt zu unserm Exemplar!

Ich könnte mir vorstellen, dass der Vorläufer mit einer wasserlöslichen Farbe gedruckt wurde 

und man ein Exemplar einfach "geopfert" hat um das Motiv auf den eigenen Druckstock abzuklatschen.

Wer weiß ...

 

Geschriebenes Kolophon nach Übertrag mit dem Abklatschen - etwas aufgeweicht...

Probedruck

Probedruck (man beachte die 2004...)

 

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Erste Schrift-Probeabzüge

  "Original und Fälschung"

 

Wenn man ganz genau hinschaut wird klar, dass uns der Wechselzug doch sehr schwer gefallen ist. 

Man kann die Qualität der Original-Schnitte diesbezüglich kaum hoch genug bewerten. 

Ein Detail wie den durch die Breitfeder bedingten Strichstärkenwechsel in dieser Perfektion schneidend 

nachzuahmen, zeugt von sehr großer Könnerschaft. 

Ich stelle mir überdies vor, dass mit einem Vergrößerungsglas gearbeitet wurde, wie wir es es von 

den wenigen, heute noch tätigen Holzstecher wissen.

 

Ich hatte erwartet, dass die Schriftseiten sich stark von einander unterscheiden werden,

gewinne aber nun den Eindruck, dass es doch nicht so schlimm wird. 

Leicht Unterschiede gibt es natürlich, aber dies endet keineswegs in einem großen, optischen

Sammelsurium. Die Homogenität wird weitgehend gewahrt (schön!).

Das kommt wohl daher, dass alle von gleichen Vorgaben und Parametern ausgegangen sind,

da war einfach keine Gelegenheit  für "Abweichlertum". 

D.h. alle gingen von folgenden Gemeinsamkeiten aus: 

- Schriftgröße

- Zeilenabstand

- Schaftbreite der Buchstaben,

- Gangweite der Schrift (Buchstabenabstand, Wortabstand)

- Type

- Positionierung im Format

- Abstand zum Rand

Dies ist ein doch sehr enges "Korsett" und gibt wenig Raum für Individuelle Ausprägung.

Ihr seht: man kann vieles erwarten - das reale Arbeiten beschert aber doch oftmals

ganz andere Ergebnisse.

"Grau, teurer Freund, ist alle Theorie, und grün des Lebens gold´ner Baum",  Mephisto im Faust