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Scherben-Zeit

Entstehung 2004/05

21,02 x 15 cm

Decke: Regentleinen, bedruckt

Buchschraubenheftung

Seitenzahl: 100

ein Exemplar im Besitz des Klingspor-Museums, Offenbach

Herstellung auf Anfrage

Vorwort:

Scherben, vom Acker gesammelt, und handschriftliche Fragmente alter Briefe und Postkarten wurden für dieses Buch kombiniert. Beides Zeugnisse menschlicher Kultur und Kunstfertigkeit, teilen sie ein gemeinsames Schicksal: Sie haben den Zweck ihrer Entstehung überlebt, für sie gibt es keine Bestimmung mehr zu erfüllen. Vielleicht ist gerade dies der Grund für die Intensität der Ausstrahlung einer vom Zweck befreiten Ästhetik. 

 

Die bestechend schönen Handschriften erwecken den Wunsch, ihnen ihr textliches Geheimnis zu entreißen. Manchmal gelingt dies nicht mehr, zu viel Zeit ist über die individuellen Typen hinweggegangen und was bleibt ist die Aura, die jede persönliche Handschrift umgibt, gleichgültig, in welcher Sprache sie sich bewegt. 

Die Buchstaben, von ihrem eigentlichen Trägermaterial gelöst, wurden Keramikscherben aufgelegt und gehen mit ihnen eine eigenartige Symbiose ein. Und mit einem Mal verlieren Grußfloskeln wie dein dich liebender oder mein lieber Junge ihre Banalität, verlassen ihren Gemeinplatz und kehren zu einer ursprünglichen, wahrhaftigen Bedeutung zurück. 

 

Die Scherben scheinen diese Suche nach Sinnbezügen zu teilen; auf ihnen liegt noch das Echo der Berührung einer Hand, die Kaffee eingoss.
Es gab einen Absender, es gab einen Adressaten und es gab die Beziehung zwischen ihnen - sie alle erscheinen ebenso präsent und klar definiert wie die Angabe: Auf Wiedersehen Montag, 20:05 Uhr. 
Es gibt Scherben, die sind wie Mütter oder wie junge Mädchen oder verliebte Soldaten. Und es scheint, als beziehe sich ihr Zerstörtsein auf das, was die Zeit ihren Schöpfern angetan hat - und deren Gefühlen, denn eines steht fest: ils aimaient.

(ils aimaiment - sie liebten - bezieht sich auf das Umschlag-Motiv; hier ist ein Blatt abgebildet, auf dem jemand das französische Verb aimer - lieben - in all seinen Formen aufgeschrieben hat.)

Alle verwendeten Schriften sind Original-Handschriften aus privaten Briefen, Postkarten, Notizzetteln oder auch geschäftlichen Schreiben, die ich auf Flohmärkten zusammen getragen habe.
Ich bin heute stundenlang allein, ganz allein
Die Scherben sind ausnahmslos Fundstücke vom Acker oder von mit Schutt ausgebesserten Feldwegen.
mein lieber Junge! 

mein lieber Junge!

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