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Ars Moriendi – Transkription

 

Seite 1

 

Da der Gang des Todes aus diesem

gegenwärtigen Elend von Ungewissheit des Sterbens

vielen Leuten – geistlichen und weltlichen - zumal schwer,

furchtsam und schrecklich scheint, und von

allen schrecklichen Dingen der Tod des

Leibes am Allerschrecklichsten ist, so ist doch

der Tod der Seele so viel schrecklicher und

mehr zu fürchten (fliehen), da die Seele edler ist

als der Leib. Es haben aber die sterbenden Men-

schen bei ihrem letzten Gang schwere

Anfechtungen, schwerer als sie in

ihrem Leben zuvor je hatten.

Es ist erforderlich, fünf mit Namen zu kennen,

die einen jeglichen Menschen um seiner Seele Heil

(bringen können.) Und zu wissen,

wie man (ihnen)Widerstand leisten

soll, auf dass man ihnen

um so freier entgegen treten möge.

 

Seite 3

 

Die erste Anfechtung ist im Glauben,

denn der Glaube ist alles Heiles und aller guten

Dinge ein Fundament. Es kann auch niemand

ein anderes Fundament legen, denn das da gelegt

ist, das ist Jesus Christus. Es ist auch nicht

möglich Gott zu gefallen ohne den Glauben.

Denn wer nicht glaubt, der ist jetzt schon verurteilt.

Da es nun kein Heil ohne den Glauben geben kann,

darum unternimmt es der Teufel, den

Menschen zuletzt zu betrügen, in Irrtum,

Unglaube und Ketzerei bringen, mit (Her-)Vorhebung

des Glaubens der Juden, Ketzer und Heiden

und der Verzweifelten oder dergleichen,

damit er betrogen werde. Doch solange der

Mensch seinen freien Willen und seine gute

Vernunft hat, so mag ihm der Teufel weder in dieser,

noch in einer anderen Anfechtung angesichtig werden,

ihn in die Hölle zu bringen

gegen den freien Willen. (sehr frei)

 

Seite 5

 

Darum soll ein guter Christ des Teufels

Schrecklichkeit und Einblasungen nicht

fürchten, noch in irgend einem Stück des Glaubens

anfangen zu irren (zweifeln). Denn sobald er irrt,

tritt er ab vom Heilsweg und spricht (auf diese Art):

Allmächtiger, ewiger Gott,

da wahrer Glaube alle Dinge vermag und erwirbt,

bitte ich dich, verleihe mir nicht allein die

Hauptartikel des Glaubens, sondern auch

die ganze Heilige Schrift und die Gesetze

der heiligen Römischen Kirche, zu glauben

und darin fest zu bleiben. Und beim Sterben

stärke mich durch den Glauben der Alten,

der heiligen zwölf Apostel (Boten) und der

unzählbaren Schar der Märtyrer, der Beichtenden

und der Jungfrauen, die da herrschen durch den Glauben,

alle gottgefällig und selig geworden sind, Amen.

 

Seite 7

 

Die andere (zweite) Anfechtung ist Verzweiflung.

Die ist gegen das Hoffen und Vertrauen,

das der Mensch zu Gott haben soll.

Denn wenn der Siechende Leiden und Schmerzen hat,

dann reiht der Teufel einen Schmerz an den anderen

und wirft ihm seine Sünden vor – und

besonders die Sünden, die er nicht gebeichtet hat –

auf dass er ihn zur Verzweiflung bringt.

Aber darum soll niemand an der Gnade Gottes

zweifeln, und hätte er auch so viel Raub,

Totschlag und Diebstahl getan wie Tropfen im Meer sind

und hätte er das vordem nie bereut noch

gebeichtet und hätte es auch neuerlich (jetzt)

nicht vermocht es zu beichten. Doch wenn es ihm

Leid tut, so hat er genug der wahren Reue.

Gott verschmäht kein reuig Herz; wer tief wegen seiner Sünden

seufzt, der ist behalten.

 

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Die Übel der Vergangenheit sind Schaden nicht,

sofern sie nicht gefallen (man sie bereut). Es ist

allein die Missetat der Verzweiflung, die niemals zu

heilen vermag, so sprich:

O allerstärkster, unüberwindlicher Herr Jesus Christus,

durch die Gestalt des bitteren Leides, das du gelitten hast für mich

und alle Sünder am Stamm des heiligen Kreuzes,

verleihe mir Hoffnung und Vertrauen in deine Barmherzigkeit,

Reue und Leid für meine Sünden,

Widerstand gegen die Verzweiflung und

stärke mich mit Sankt Petrus, der dich verleugnete,

berufe mich mit Sankt Paul, der die Christenheit durchwanderte,

tröste mich wie den Schächer am Kreuz

und vergib mir, wie du Maria Magdalena

und allen Sündern die es begehrten, ihr Sünden vergabst

und in Ewigkeit vergisst, Amen.

 

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Die dritte Anfechtung ist die Ungeduld.

Sie ist gegen die Liebe, die wir Gott

vor allen Dingen schulden.

So geschieht es mit denen, die sterben sollen,

denen großer körperlicher Schmerz zufällt

und die mit schweren Tagen des Siechtums gepeinigt werden

und ungern sterben und auch Gebrechen haben.

Sie werden an wahrer Liebe ungeduldig

und murren, so dass sie oft ihre Vernunft verlieren.

Denn wenn einer den Tod mit Leid empfängt,

ist das ein Zeichen, dass er Gott

nicht lieb genug hat. Darum ist es Unrecht,

dass wir über großes Leid murren,

da doch jeder Mensch in Geduld sein Heil findet

und behält und durch Ungeduld

die Seele verdammt wird.

 

Seite 13

 

Wenn aber einer sich wahrhaft müht und in der Liebe geduldig

ist (frei) und alles erleidet und wir durch Geduld unser Heil besitzen

und das Siechtum vor dem Tod ist nichts anderes ist

als ein Fegefeuer, so bitte er Gott (in jener Weise):

O Herr Jesus Christus, ich erinnere dich an deine große,

endlose Barmherzigkeit, Geduld und

Liebe, die du in deinem Leide hattest, auf dass

du mir Geduld verleihen wollest, um all die Schmerzen zu empfangen,

die mir zugefügt werden von Gott dem Allmächtigen,

in wahrer Liebe zu leiden und damit meine Sünden

zu büßen und meine arme Seele zu reinigen.

O Herr, brenne und quäle (suden = kochen) mich hier,

auf dass du mir ewiglich verzeihst.

Gib mir Widerstandskraft (gegen) alle Ungeduld

und geselle mich zu der Schar der unzählbaren

Märtyrer in Ewigkeit, bei ihnen zu bleiben nun

und immerdar, Amen.

 

Seite 15

 

Die vierte Anfechtung ist, sich selbst wohl

zu gefallen (Selbstzufriedenheit/Hochmut).

Das ist ein geistlicher Hochmut, durch den der

Teufel dem geistlichen und vollkommenen

Menschen große Anfechtungen zufügt. Wenn er

den Menschen nicht vom Glauben abbringen,

zur Verzweiflung oder zur Ungeduld bringen kann,

so ficht er ihn mit Selbstgefälligkeit an und bläst ihm

solche Gedanken ein wie: Ach, wie bist du so gut

im Glauben, so stark in deiner Hoffnung

und so fest in deiner Geduld. Ach, was hast

du gute Werke getan, und so weiter.

Aber er (der Sterbende) soll sich nicht überheben

noch rühmen oder unziemlich erhöhen, und er

soll sich selbst nichts Gutes zuschreiben.

Denn wenn der Mensch dies täte und so viel

Selbstgefälligkeit in sich hätte,

würde er verdammt werden.

 

Seite 17

 

Wenn jemand durch das Gute, das

er getan hat, sich selbst erhebt und vor dem Schöpfer

in Demut hinfällt und wir nicht wissen, ob wir

des Hasses oder der Liebe, des Himmelreiches oder der Hölle

vor Gott würdig sind, so sprich:

Herr, himmlischer Vater, ich flüchte und erhebe

mein Gemüt zu deiner endlosen Barmherzigkeit,

wenn du den Tod des Sünders nicht begehrst,

gib mir, mit wahrer Reue all meine Sünden zu betrachten,

die ich gegen dich getan habe, in rechter Demut

gegen die Anfechtung des Hochmutes zu seufzen

und zu weinen, und erhebe mich

mit dem Heiligen Antonius gegen die Niedertracht

des Teufels und mach mich demütig und

niedrig gegen den Hochmut und die Erhebung des Feigen (Feindes?),

Amen

 

Seite 19

 

Die fünfte Anfechtung richtet sich allzumeist gegen

die weltlichen und zeitlichen Dinge: die Ehefrau,

Kinder, lieben Freunde, den Reichtum

und andere Dinge, die die Leute zu ihren Lebtagen lieb hatten.

Wenn einer gut und sicher sterben will, der soll alle

zeitlichen und äußerlichen Dinge gänzlich von sich legen

und sich ganz und vollkommen Gott befehlen.

Doch wenn einer den Tod willentlich erduldet, (?)

und seine Geduld dazu (zur Buße?)

für alle täglichen Sünden und auch

für seine tödliche Sünde ausreicht, dann wisset auch,

dass der Teufel den Mensch in dieser Anfechtung

nicht überwindet, will er ihn auch mit guter Vernunft

in die Hölle bringen,

davor sich ein jeglicher hüten soll.

(?)

 

Seite 21

 

Da aber Christus seine liebe Mutter unter

dem Kreuze verließ und den Willen seines Vaters vollbrachte

und er geduldig ... Weib, Kind und Gut um Gottes Willen aufgab,

so ist es auch für uns nötig, uns alle zeitlichen Dinge von den

Augen und aus dem Herzen zu schlagen und Gott anzurufen:

O himmlischer Fürst, gewaltiger, ewiger, getreuer Gott,

der du uns keinen Anfechtungen aussetzt, denen

wir nicht gewachsen sind, ich bitte dich, dass du

mir Demut gibst, dass in meinem Sterben alle zeitliche und

fleischliche Liebe zu weltlichen Dingen gänzlich

in mir erlöschen und mein Wille vollkommen zu dir zieht

und du mir in sterbender Not wahre Reue und Geduld gibst

und mich an meinem letzten Ende nimmer mehr verlässt,

Amen.

 

Seite 23

 

Da nun Christus am Kreuz mit seiner

lieben Mutter und allen Heiligen und Engeln

und auch den bösen Geistern jedem Menschen

bei seinem Heimgang erscheinen - den Guten zum Trost und

den Bösen zur Mehrung ihre Pein - so sprich:

O allerhöchste Gottheit, unermessliches Gut,

gnädigste und gerechteste Dreifaltigkeit,

mein Allerhöchstes und Liebes,

erbarme dich über mich armen Sünder

wenn ich dir meinen Geist befehle.

Gott, gnädigster Vater, Vater der Barmherzigkeit,

erweise diesem deinem Geschöpf Barmherzigkeit

und hilf mir in dieser letzten Not.

Komm zu Hilfe, mein Herr, der dürftigen Seele,

die freudlos ist, dass sie nicht von den höllischen Hunden

verschlungen wird,

der du alle sanft liebst (du meine sanfteste Liebe ?),

Herr Jesus Christus, des lebendigen Gottes.

 

Seite 24

 

... durch die Ehre und Kraft deines allerseligsten Leidens

lass mich aufgenommen werden unter der Zahl

deiner Auserwählten, mein Erhalter und Erlöser.

Ich gebe mich ganz dir, versage mir nicht, zu dir zu kommen,

schlage mich nicht aus, Herr Jesus Christus.

Ich erheische dein Paradies nicht wegen meines Verdienstes,

wenn ich Staub und Asche bin und der erbärmlichste Sünder

in Kraft und Wirken deines allerheiligsten Leidens,

wodurch du mich elenden, sündigen Menschen

erlösen wolltest und mit deinem roten Blut mir das

Paradies aufschließen. Sprich drei Mal:

Herr, du hast mein Band zerbrochen, darum will ich dir opfern

das Opfer des Lobes, O Herr, durch die Bitterkeit.

 

  Seite 25

 

Der du um meinen Willen gelitten hast,

am Kreuze zu so vielen Stunden (frei)

bis deine allerheiligste Seele ausgegangen ist

von deinem heiligen Leichnam,

erbarme dich meiner allerärmsten Seele,

bei ihrem Ausgang aus dem Leibe.

Danach rufe der Sterbenskranke unsere Frau (Maria) und spreche:

Königin des Himmels, Mutter der Barmherzigkeit, Zuflucht der Sünder,

versöhne mich mit deinem eingeborenen Sohn.

Seine Mildtätigkeit wollest du für mich unwürdigen Sünder

erbitten (ermahnen), dass er durch deine Liebe mir

meine Sünden vergeben möge und mich führe in seine Ehre.

Danach rufe er (der Sterbende) die Engel an und spreche:

Ihr allerseligsten und himmlischen Geister und Engel,

ich bitte euch,  dass ihr mir von dieser Welt (zum Himmel)

auffahrenden Menschen beisteht und mich erlöst

(wird auf der nächsten Seite fortgesetzt)

 

Seite 26

 

mildtätig von all meinen Widersachern,

(falschen) Bekehrungen und Hinterhalten,

und nehmt meine Seele in eure Gesellschaft auf,

du heiliger Engel, den mir Gott zum Schutze beigegeben hat.

Und danach rufe er die Heiligen an und spreche denen den Frieden aus:

Unser Herr Jesus Christus, die Kraft seines Leides und das

Zeichen des heiligen Kreuzes und die Unbeflecktheit der

allerheiligsten Jungfrau Maria, den Segen aller Heiligen,

Behütung durch alle Engel und die Hilfe aller Auserwählten Gottes.

Freunde seien zwischen mir und  all meinen Feinden (Feigheiten?),

sichtbaren und unsichtbaren, in der Stunde meines Todes, Amen.

Und sprich dann:

Herr, gib mir den lichten Schein des Abends,

dass mir das (ewige) Leben nimmer entfalle,

sondern der Lohn deines heiligen Todes mich anlange,

die ewige Ehre, Amen.