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Ars Moriendi – Transkription
Da der Gang des Todes aus diesem
gegenwärtigen Elend von Ungewissheit des Sterbens
vielen Leuten – geistlichen und weltlichen - zumal schwer,
furchtsam und schrecklich scheint, und von
allen schrecklichen Dingen der Tod des
Leibes am Allerschrecklichsten ist, so ist doch
der Tod der Seele so viel schrecklicher und
mehr zu fürchten (fliehen), da die Seele edler ist
als der Leib. Es haben aber die sterbenden Men-
schen bei ihrem letzten Gang schwere
Anfechtungen, schwerer als sie in
ihrem Leben zuvor je hatten.
Es ist erforderlich, fünf mit Namen zu kennen,
die einen jeglichen Menschen um seiner Seele Heil
(bringen können.) Und zu wissen,
wie man (ihnen)Widerstand leisten
soll, auf dass man ihnen
um so freier entgegen treten möge.
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Die erste Anfechtung ist im Glauben,
denn der Glaube ist alles Heiles und aller guten
Dinge ein Fundament. Es kann auch niemand
ein anderes Fundament legen, denn das da gelegt
ist, das ist Jesus Christus. Es ist auch nicht
möglich Gott zu gefallen ohne den Glauben.
Denn wer nicht glaubt, der ist jetzt schon verurteilt.
Da es nun kein Heil ohne den Glauben geben kann,
darum unternimmt es der Teufel, den
Menschen zuletzt zu betrügen, in Irrtum,
Unglaube und Ketzerei bringen, mit (Her-)Vorhebung
des Glaubens der Juden, Ketzer und Heiden
und der Verzweifelten oder dergleichen,
damit er betrogen werde. Doch solange der
Mensch seinen freien Willen und seine gute
Vernunft hat, so mag ihm der Teufel weder in dieser,
noch in einer anderen Anfechtung angesichtig werden,
ihn in die Hölle zu bringen
gegen den freien Willen. (sehr frei)
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Darum soll ein guter Christ des Teufels
Schrecklichkeit und Einblasungen nicht
fürchten, noch in irgend einem Stück des Glaubens
anfangen zu irren (zweifeln). Denn sobald er irrt,
tritt er ab vom Heilsweg und spricht (auf diese Art):
Allmächtiger, ewiger Gott,
da wahrer Glaube alle Dinge vermag und erwirbt,
bitte ich dich, verleihe mir nicht allein die
Hauptartikel des Glaubens, sondern auch
die ganze Heilige Schrift und die Gesetze
der heiligen Römischen Kirche, zu glauben
und darin fest zu bleiben. Und beim Sterben
stärke mich durch den Glauben der Alten,
der heiligen zwölf Apostel (Boten) und der
unzählbaren Schar der Märtyrer, der Beichtenden
und der Jungfrauen, die da herrschen durch den Glauben,
alle gottgefällig und selig geworden sind, Amen.
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Die andere (zweite) Anfechtung ist Verzweiflung.
Die ist gegen das Hoffen und Vertrauen,
das der Mensch zu Gott haben soll.
Denn wenn der Siechende Leiden und Schmerzen hat,
dann reiht der Teufel einen Schmerz an den anderen
und wirft ihm seine Sünden vor – und
besonders die Sünden, die er nicht gebeichtet hat –
auf dass er ihn zur Verzweiflung bringt.
Aber darum soll niemand an der Gnade Gottes
zweifeln, und hätte er auch so viel Raub,
Totschlag und Diebstahl getan wie Tropfen im Meer sind
und hätte er das vordem nie bereut noch
gebeichtet und hätte es auch neuerlich (jetzt)
nicht vermocht es zu beichten. Doch wenn es ihm
Leid tut, so hat er genug der wahren Reue.
Gott verschmäht kein reuig Herz; wer tief wegen seiner Sünden
seufzt, der ist behalten.
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Die Übel der Vergangenheit sind Schaden nicht,
sofern sie nicht gefallen (man sie bereut). Es ist
allein die Missetat der Verzweiflung, die niemals zu
heilen vermag, so sprich:
O allerstärkster, unüberwindlicher Herr Jesus Christus,
durch die Gestalt des bitteren Leides, das du gelitten hast für mich
und alle Sünder am Stamm des heiligen Kreuzes,
verleihe mir Hoffnung und Vertrauen in deine Barmherzigkeit,
Reue und Leid für meine Sünden,
Widerstand gegen die Verzweiflung und
stärke mich mit Sankt Petrus, der dich verleugnete,
berufe mich mit Sankt Paul, der die Christenheit durchwanderte,
tröste mich wie den Schächer am Kreuz
und vergib mir, wie du Maria Magdalena
und allen Sündern die es begehrten, ihr Sünden vergabst
und in Ewigkeit vergisst, Amen.
Die dritte Anfechtung ist die Ungeduld.
Sie ist gegen die Liebe, die wir Gott
vor allen Dingen schulden.
So geschieht es mit denen, die sterben sollen,
denen großer körperlicher Schmerz zufällt
und die mit schweren Tagen des Siechtums gepeinigt werden
und ungern sterben und auch Gebrechen haben.
Sie werden an wahrer Liebe ungeduldig
und murren, so dass sie oft ihre Vernunft verlieren.
Denn wenn einer den Tod mit Leid empfängt,
ist das ein Zeichen, dass er Gott
nicht lieb genug hat. Darum ist es Unrecht,
dass wir über großes Leid murren,
da doch jeder Mensch in Geduld sein Heil findet
und behält und durch Ungeduld
die Seele verdammt wird.
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Wenn aber einer sich wahrhaft müht und in der Liebe geduldig
ist (frei) und alles erleidet und wir durch Geduld unser Heil besitzen
und das Siechtum vor dem Tod ist nichts anderes ist
als ein Fegefeuer, so bitte er Gott (in jener Weise):
O Herr Jesus Christus, ich erinnere dich an deine große,
endlose Barmherzigkeit, Geduld und
Liebe, die du in deinem Leide hattest, auf dass
du mir Geduld verleihen wollest, um all die Schmerzen zu empfangen,
die mir zugefügt werden von Gott dem Allmächtigen,
in wahrer Liebe zu leiden und damit meine Sünden
zu büßen und meine arme Seele zu reinigen.
O Herr, brenne und quäle (suden = kochen) mich hier,
auf dass du mir ewiglich verzeihst.
Gib mir Widerstandskraft (gegen) alle Ungeduld
und geselle mich zu der Schar der unzählbaren
Märtyrer in Ewigkeit, bei ihnen zu bleiben nun
und immerdar, Amen.
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Die vierte Anfechtung ist, sich selbst wohl
zu gefallen (Selbstzufriedenheit/Hochmut).
Das ist ein geistlicher Hochmut, durch den der
Teufel dem geistlichen und vollkommenen
Menschen große Anfechtungen zufügt. Wenn er
den Menschen nicht vom Glauben abbringen,
zur Verzweiflung oder zur Ungeduld bringen kann,
so ficht er ihn mit Selbstgefälligkeit an und bläst ihm
solche Gedanken ein wie: Ach, wie
bist du so gut
im Glauben, so stark in deiner
Hoffnung
und so fest in deiner Geduld. Ach,
was hast
du gute Werke getan, und so weiter.
Aber er (der Sterbende) soll sich nicht überheben
noch rühmen oder unziemlich erhöhen, und er
soll sich selbst nichts Gutes zuschreiben.
Denn wenn der Mensch dies täte und so viel
Selbstgefälligkeit in sich hätte,
würde er verdammt werden.
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Wenn jemand durch das Gute, das
er getan hat, sich selbst erhebt und vor dem Schöpfer
in Demut hinfällt und wir nicht wissen, ob wir
des Hasses oder der Liebe, des Himmelreiches oder der Hölle
vor Gott würdig sind, so sprich:
Herr, himmlischer Vater, ich flüchte und erhebe
mein Gemüt zu deiner endlosen Barmherzigkeit,
wenn du den Tod des Sünders nicht begehrst,
gib mir, mit wahrer Reue all meine Sünden zu betrachten,
die ich gegen dich getan habe, in rechter Demut
gegen die Anfechtung des Hochmutes zu seufzen
und zu weinen, und erhebe mich
mit dem Heiligen Antonius gegen die Niedertracht
des Teufels und mach mich demütig und
niedrig gegen den Hochmut und die Erhebung des Feigen (Feindes?),
Amen
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Die fünfte Anfechtung richtet sich allzumeist gegen
die weltlichen und zeitlichen Dinge: die Ehefrau,
Kinder, lieben Freunde, den Reichtum
und andere Dinge, die die Leute zu ihren Lebtagen lieb hatten.
Wenn einer gut und sicher sterben will, der soll alle
zeitlichen und äußerlichen Dinge gänzlich von sich legen
und sich ganz und vollkommen Gott befehlen.
Doch wenn einer den Tod willentlich
erduldet, (?)
und seine Geduld dazu (zur Buße?)
für alle täglichen Sünden und auch
für seine tödliche Sünde
ausreicht, dann wisset auch,
dass der Teufel den Mensch in dieser
Anfechtung
nicht überwindet, will er ihn auch
mit guter Vernunft
in die Hölle bringen,
davor sich ein jeglicher hüten soll.
(?)
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Da aber Christus seine liebe Mutter unter
dem Kreuze verließ und den Willen seines Vaters vollbrachte
und er geduldig ... Weib, Kind und Gut um Gottes Willen aufgab,
so ist es auch für uns nötig, uns alle zeitlichen Dinge von den
Augen und aus dem Herzen zu schlagen und Gott anzurufen:
O himmlischer Fürst, gewaltiger, ewiger, getreuer Gott,
der du uns keinen Anfechtungen aussetzt, denen
wir nicht gewachsen sind, ich bitte dich, dass du
mir Demut gibst, dass in meinem Sterben alle zeitliche und
fleischliche Liebe zu weltlichen Dingen gänzlich
in mir erlöschen und mein Wille vollkommen zu dir zieht
und du mir in sterbender Not wahre Reue und Geduld gibst
und mich an meinem letzten Ende nimmer mehr verlässt,
Amen.
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Da nun Christus am Kreuz mit seiner
lieben Mutter und allen Heiligen und Engeln
und auch den bösen Geistern jedem Menschen
bei seinem Heimgang erscheinen - den Guten zum Trost und
den Bösen zur Mehrung ihre Pein - so sprich:
O allerhöchste Gottheit, unermessliches Gut,
gnädigste und gerechteste Dreifaltigkeit,
mein Allerhöchstes und Liebes,
erbarme dich über mich armen Sünder
wenn ich dir meinen Geist befehle.
Gott, gnädigster Vater, Vater der Barmherzigkeit,
erweise diesem deinem Geschöpf Barmherzigkeit
und hilf mir in dieser letzten Not.
Komm zu Hilfe, mein Herr, der dürftigen Seele,
die freudlos ist, dass sie nicht von den höllischen Hunden
verschlungen wird,
der du alle sanft liebst (du meine sanfteste Liebe ?),
Herr Jesus Christus, des lebendigen Gottes.
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... durch die Ehre und Kraft deines allerseligsten Leidens
lass mich aufgenommen werden unter der Zahl
deiner Auserwählten, mein Erhalter und Erlöser.
Ich gebe mich ganz dir, versage mir nicht, zu dir zu kommen,
schlage mich nicht aus, Herr Jesus Christus.
Ich erheische dein Paradies nicht wegen meines Verdienstes,
wenn ich Staub und Asche bin und der erbärmlichste Sünder
in Kraft und Wirken deines allerheiligsten Leidens,
wodurch du mich elenden, sündigen Menschen
erlösen wolltest und mit deinem roten Blut mir das
Paradies aufschließen. Sprich drei Mal:
Herr, du hast mein Band zerbrochen, darum will ich dir opfern
das Opfer des Lobes, O Herr, durch die Bitterkeit.
Der du um meinen Willen gelitten hast,
am Kreuze zu so vielen Stunden (frei)
bis deine allerheiligste Seele ausgegangen ist
von deinem heiligen Leichnam,
erbarme dich meiner allerärmsten Seele,
bei ihrem Ausgang aus dem Leibe.
Danach rufe der Sterbenskranke unsere Frau (Maria) und spreche:
Königin des Himmels, Mutter der Barmherzigkeit, Zuflucht der Sünder,
versöhne mich mit deinem eingeborenen Sohn.
Seine Mildtätigkeit wollest du für mich unwürdigen Sünder
erbitten (ermahnen), dass er durch deine Liebe mir
meine Sünden vergeben möge und mich führe in seine Ehre.
Danach rufe er (der Sterbende) die Engel an und spreche:
Ihr allerseligsten und himmlischen Geister und Engel,
ich bitte euch, dass ihr mir von dieser Welt (zum Himmel)
auffahrenden Menschen beisteht und mich erlöst
(wird auf der nächsten Seite fortgesetzt)
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mildtätig von all meinen Widersachern,
(falschen) Bekehrungen und Hinterhalten,
und nehmt meine Seele in eure Gesellschaft auf,
du heiliger Engel, den mir Gott zum Schutze beigegeben hat.
Und danach rufe er die Heiligen an und spreche denen den Frieden aus:
Unser Herr Jesus Christus, die Kraft seines Leides und das
Zeichen des heiligen Kreuzes und die Unbeflecktheit der
allerheiligsten Jungfrau Maria, den Segen aller Heiligen,
Behütung durch alle Engel und die Hilfe aller Auserwählten Gottes.
Freunde seien zwischen mir und all meinen Feinden (Feigheiten?),
sichtbaren und unsichtbaren, in der Stunde meines Todes, Amen.
Und sprich dann:
Herr, gib mir den lichten Schein des Abends,
dass mir das (ewige) Leben nimmer entfalle,
sondern der Lohn deines heiligen Todes mich anlange,
die ewige Ehre, Amen.