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Hier geht´s direkt zum Mainzer Institut für Buchwissenschaft: www.buchwissenschaft.uni-mainz.de
www.skriptorium.at
Einführung
Die
Kunst des heilsamen Sterbens beschäftigte mich im Sommersemester 2004
gemeinsam mit 26
Studentinnen des Mainzer Instituts für Buchwissenschaft. Im Rahmen einer Übung
wurde der kühne Versuch unternommen, das um 1470 entstandene Blockbuch faksimilierend nachzuschöpfen.
Blockbücher
entstanden in einer relativ kurzen Zeitspanne, fast zeitgleich mit Gutenbergs
Erfindung des Buchdrucks. Es sind Bücher, bei denen jede Seite komplett in eine Holzplatte
geschnitten wurde. Mit diesen Druckstöcken konnte man beträchtliche Auflagen
fertigen; dennoch wurde das xylografische (holzgeschnittene) Buch sehr bald vom
Bleisatz verdrängt. Es sind nur wenige Blockbücher bis heute erhalten
geblieben. Sie alle sind bibliophile Kostbarkeiten und über die Museen und
Bibliotheken der ganzen Welt verstreut.
Bei
Ars Moriendi handelt es sich um eine mittelalterliche Sterbelehre, deren überzeitlicher Text
seine Aktualität bis
heute bewahrt hat. In einer verbindlich gewordenen
Illustrationsfolge sind über die Jahrhunderte mehrere Kopien der Ars Moriendi
entstanden. Eine Besonderheit der von uns ausgewählten Version besteht darin, dass
hier der Text erstmals in deutscher Sprache vorliegt – zwei Generationen vor
Luther! Über die Erschaffer unseres Buches und die Umstände seiner Entstehung
ist so gut wie nichts überliefert. Es wird jedoch angenommen, dass man es einem
Dominikaner-Orden zuschreiben kann. Unser Exemplar überdauerte die Jahrhunderte
eingelegt zwischen die Seiten eines anderen Buches in der Fürstenbergischen
Bibliothek. Diesem Umstand verdanken wir seinen extrem guten Erhaltungszustand.
Das
Faksimile-Projekt wurde dadurch begünstigt, dass sich das Original dieser
speziellen Ars Moriendi im
Besitz des Gutenberg-Museums befindet und für die Studentinnen einsehbar war.
Es befindet sich dort im begehbaren Tresorraum neben den Gutenberg Bibeln. So war
das Arbeiten in großer Nähe zum Original möglich. Zudem
existiert eine sehr gute Reproduktion des Antiquariats Bibermühle von Heribert
Tenschert, dem wir viele Erläuterungen und auch die Übertragung des z.T. schwer entzifferbaren Textes verdanken. Ars Moriendi
bietet sich zum Nachdrucken an, weil sie eine sehr kleines Format
(Reclam-Heftchen) besitzt, unaufwändig gebunden ist, wenig Seiten hat und - vor
allen Dingen - komplett erhalten ist.
Im Gegensatz zum Mainzer Exemplar besitzt es einen festen Einband. Die Kolorierungen unterscheiden sich in den Farbtönen leicht voneinander, das Papier scheint gleich zu sein.
Alle Teilnehmerinnen bekamen den Arbeitsauftrag, eine der 26 Seiten zu erstellen. Jeder einzelne Arbeitsschritt wurde dabei möglichst originalgetreu nachvollzogen - vom Schreiben der mittelalterlichen Bastarda-Type und Übertragen der Motive auf einen Druckstock über das Schneiden dieser Formen und anschließende Drucken, bis hin zum Kolorieren mit historischen Pigmenten und dem Einbinden in eine Pergamentdecke. Da die Arbeitszeit innerhalb eines Semesters sich als recht knapp erwies, begann ich diesen Werkstattbericht im Internet zu führen. Es ermöglichte es mir, auch zwischen der wöchentlichen Sitzungen mit den Kursteilnehmerinnen die Auseinandersetzung zu vertiefen und voran zu treiben. Ich richte mich daher in den nachfolgenden Texten immer an meine Studentinnen.
Es sind noch einige Exemplare verfügbar, wenn Sie Interesse an unserem Buch oder Fragen dazu haben, freue ich mich über Ihren Kontakt!
Um die Ladezeit zu verkürzen habe ich nachfolgend einige Themenbereiche auf Extraseiten zusammengefasst.
Farbvorlagen des Originals
Arbeitsschritte beim Binden
Bilder und Filme über das Drucken
Über die Farben, Farbpigmente
Über die Schrift
Einige Gedanken über Holz
Transkription des Textes aus dem Mittelhochdeutschen
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Dies war die Arbeitsteilung im Mittelalter:
1. der Reißer, er entwarf - oder kopierte wie in unserem Fall - ein vorhandenes Buch
2. der Formschneider, er schnitt die Form ins Holz
3. der Brieffmaler, er kolorierte. (Interessant: Manche Bücher wurden schwarz/weiß
ausgeliefert und erst beim/vom Kunden ausgemalt. )
Sicher war es auch möglich, dass mehrere oder gar alle Produktionsschritte
in einer Hand lagen.
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Vergleich unseres Blockbuchs mit einem seinem Vorläufer
Dieses ist eines von drei Blättern einer xylographischen Ars Moriendi, die sich in der Frankfurter Stadt-
und Universitätsbibliothek erhalten haben. Dieses Buch war noch wesentlich kunstvoller als unseres gefertigt.
Es hatte einen lateinischen Text und war bedeutend größer (Höhe ca. 20 cm).
Die Bilder aller Ars Moriendi gehen auf eine Kupferstichfolge des Meisters E.S. zurück, die die "Urbilder" abgaben.
Links die entsprechende Seite aus dem Exemplar der Gutenberg-Museums.
(Abbildung aus dem Repro-Faksimile von Heribert Tenschert, die Farben sind hier zu gelbstichig.)
Man beachte, dass das Motiv nun spiegelverkehrt erscheint! Ein Hinweis auf die Abklatsch-Technik.
Rechts unser Faksimile. Das Papier ist noch nicht vergilbt, es fehlt die Patina.
Von Kopie zu Kopie gehen Feinheiten und Details verloren, niemand trifft mehr kreative Formentscheidungen.
Bei den Kopievorgängen findet kein aktives Gestalten mehr statt,
Fehler und Versäumnisse dagegen summieren sich.
Es sind 13 Versionen der Ars Moriendi bekannt, unseres ist eines der späten Exemplare, bezeichnet als Ausgabe XII.
Viele Versionen der Ars Moriendi sind nur fragmentarisch erhalten. Auch die zweite erhaltenen Ausgabe unserer
Version ist nicht vollständig.
Nur in den letzten drei Versionen liegt der Text in deutscher Sprache vor. Auch in dieser Hinsicht ist unser Exemplar
einzigartig, da die anderen beiden deutschen Versionen handschriftlichen Text besitzen.
Literatur hierzu:
Ars Moriendi : die Kunst des heilsamen Sterbens, Faksimile des Donaueschinger Exemplars. Heribert Tenschert, Bibermühle, 1995
Gutenberg-Gesellschaft und Gutenberg-Museum (Hrsg.), "Blockbücher des Mittelalters - Bilderfolge als Lektüre", von Zabern, 1991
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Zum Papier
Da unser Buch über die Jahrhunderte in ein anderes Buch eingelegt war, ist es sehr gut erhalten.
Das Papier war ehemals weiß und ist nun gräulich, nicht gelblich!
Ein sehr ungewöhnlicher Farbton, der bei neuen Papieren kaum zu finden ist, allenfalls bei Japanpapieren.
Wir müssen uns also entscheiden, entweder ein (natur-) weißes Hadernbütten zunehmen und
auf die Patina zu warten oder ein getöntes Papier.
Hierbei stehen und aber nur "falsche", gelbliche Farbtöne zur Verfügung. Ich tendiere zu weißem Hadernbütten.
Hadernbütten ist ein handgeschöpftes Büttenpapier ohne Laufrichtung auf der Grundlage von Baumwolle -
daher der Name Hadern = Lumpen. Es ist säurefreie und daher alterungsbeständig.
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Verschiedene Bearbeitungsstadien
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Probedrucken (Anzeigenwechsler)
Eingefärbter Schnitt und Probedruck
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Der komplette Druckstock
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Mehr zum Thema Binden.
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