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"Bebi-Gallery"
Kulen Vakuf
 Bosanski jezik                  English Version                                              

 

Die Geschichte der Puppe  

ästhetische Reflexion einer beschädigten Welt

 

 

            Ich bemerkte die Puppe beim ersten Gang durch die Fabrik. Von diesem Moment an wusste ich, dass noch eine andere Arbeit auf mich wartete.

Eine, die ich nicht ignorieren durfte, und ich wusste auch, dass sie schwer werden würde. Ich schlich also 4 Tage um das Objekt herum und machte zunächst die Baby- und Engel-Installationen (siehe oben). Sammelte Mut, dieses Thema anzugehen - oder Argumente, es bleiben zu lassen.

Während der ganzen Zeit

wartete sie geduldig.

Erst am letzten Abend kehrte ich zur Puppe zurück und machte die ersten 20 Fotos, dann war das Licht zu schwach und ich brach ab. In der Nacht beschloss ich, früh am nächsten Morgen noch einmal zurück zu kehren, und die Arbeit zu beenden, wenige Stunden vor meinem Rückflug.

 

Hier ist die Puppen-Session.

 
 

 

 

 

Bebi, der Krieg ging zu Ende.

Seitdem zerfallen Dinge,

andere erwachen zum Leben.

Tiere und Pflanzen nehmen Räume in Besitz,

die von Menschen geplündert und verlassen wurden.

Gänge still.

Tropfen fallen.

Hinter den Geräuschen des Regens glaubst du,

noch die Stimmen der Näherinnen zu hören.

Hunderte.

 

 

                          

Die Finger der Wahrnehmung tasten weiter, über fleckige Spiegel, die seit langem nichts anderes wiedergeben als das wandernde Licht auf der Wand gegenüber. Eine Mücke.

Über den Fuchskadaver, auf dem die Maden tot sind. Oder war es ein kleiner Hund?

Einer der Zurückgelassenen, die sich niemandem mehr anschließen dufrten. Er wählte sich die letzte Abortkabine, um hier zu verenden. Gerade so, als wäre er noch Teil von etwas, als hätte eine Hand ihm liebevoll das Körbchen gerichtet aus Lumpen und Rechnungsblättern.

 

 

 

 

 

 

 

 

 

                 

Wir tasten weiter über leere Nester, Mauerrisse, Papierhaufen, bis zum umgestürzten Holzregal unter dem, du weißt es, du hast sie schon lange bemerkt, die Puppe liegt.

Nur ein Torso, die Hand daneben, irgendwo ein Bein.

Sie liegt auf dem Gesicht, und ihren Hinterkopf überzieht langsam, mit gefiederten Fingern, ein Moos. 

Als wollte die zarte Pflanze sie, die verflucht ist, nicht verrotten zu dürfen, durch behutsames Bedecken in den Gnadenstand des Organischen erheben: Auch du, kleine Schneiderpuppe, darfst dich ins Vergessen der Erde hinein schlafen.

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

               

.

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

                  Augen

ohne Lider,

ohne Blinzlen, 

ohne Tränen,

alles sehen müssend,

schuldlos

von einem furchtbaren Gott 

verflucht.

 

 

 

 

 

Ins Niemandsland zwischen Mensch und Ding geworfen.

Würde sie sich wie Pinoccio wünschen ein richtiger Mensch zu sein?

Oder würde sie es halten mit Pablo Neruda: 

"Sucede que me canso de ser hombre -"

Manchmal bin ich es Leid, Mensch zu sein.

 

                

 

 

 

                

 

 

 

 

                 Ich hebe sie aus dem Schlamm, ich wasche sie nicht. Ein Auge mit Unrat bedeckt, das andere weit offen, seltsam klar, in schöpferischer Perfektion, wie Menschen es manchmal zustande bringen.

Die Lippen im Lächeln geschlossen, übers Brustbein mäandert eine Bleistiftspur, undechiffrierbare Botschaft. 

Die Arme werden noch durch eine lange Schnur am Torso gehalten, ohne Schultergelenke schlenkern sie grotesk herum. Im Innern wohnt eine sehr kleine Spinne, sie gibt ihr Heim auf, als meine Störung permanent wird.

 

 

 

 

 

 

                              

 

Die Puppe - ich nehme sie mit, 

sie nimmt mich mit,

von Raum zu Raum der alten Fabrik, in der einmal 500 Frauen nähten.

Bis 

alles anders wurde.

 

 

 

 

 

 

 

 

 

             Und sie erzählt mir ihre Geschichte...
 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

          
 

 

 

 

 

 

             
 

 

 

 

 

 

                  
 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

                         
 

 

 

 

 

           

                               
 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

                     
 

 

 

 

 

                                             
 

 

 

 

           
 

 

 

 

 

 

 

 

 

                                                 
 

 

 

 

 

 

            
 

 

 

 

 

 

             
 

 

 

 

 

 

                                           
 

 

 

 

 

 

               
 

 

 

 

 

 

                                      
 

 

 

 

 

                                             
 

 

 

 

 

               
 

 

 

 

 

 

 

             
 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

             

 

 

 

 

 

                                           
 

 

 

 

 

 

            
 

 

 

 

 

                               
 

 

 

 

                                 
 

 

 

 

 

             
 

 

 

 

 

             

 

 

 

 

 

 

 

                        
 

 

 

 

 

                                                  
 

 

 

 

 

 

 

                   
 

 

 

 

 

 

 

 

                    
 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

                   
                                        
 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

                                        Sie hat ihre Geschichte zu Ende erzählt,
durch mich hindurch erzählt.

Etwas kam dabei von ihr zu mir,

etwas ging von mir zu ihr,

und so vieles ging für immer verloren.

 

Aber macht sie nicht gerade das zu einem Du?

 

 

 

 

 

 

 

Ich lege sie in einen stillen, schmalen Lichthof zwischen Wucherndem. Möge eine Rose darunter sein! 

Sie liegt mit dem Gesicht nach oben, so dass der Regen sie sauber regnen kann. Ihre Augen wieder blank waschen, die sie dann tränken mit Himmel! 

Einem kleinen Stück Himmel, in den sie hinein lächelt, als wäre da für alle Zeiten nichts mehr, nichts als Insekten und Vögel und Wolken, die ihr endlich Tränen schenken.

Sie fließen an ihren Wangen hinab, wie Tränen das so machen, halb über das Moos an ihrem Hinterkopf, von dort in die Erde hinein, an die Wurzeln von Brombeeren und Wildem Wein, welche dann einfach immer weiter wachsen. 

                    

 

 

 

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